Hier könnt Ihr den Anfang von „Gustav und der Dschin“ lesen. Die ganze Geschichte findet Ihr in dem Buch „…nur dem Gustav haben sie Zuhause wieder kein Wort geglaubt“.
Jeden Morgen, wenn keine Ferien sind, macht sich Gustav zu Fuß auf den Weg in die Schule. Gustavs Eltern finden nämlich, dass Kinder viel Bewegung an der frischen Luft brauchen. Laufen sei für Kinder viel besser, als mit dem Auto gefahren zu werden, sagen die Eltern.
Gustav hat da auch gar nichts dagegen, denn unterwegs kann man Sachen entdecken, die man im Auto nie entdeckt hätte. So, wie heute. Heute stehen alte Fahrräder, Töpfe, Ofenrohre, eiserne Bettgestelle und noch vieles andere an der Straße.
„Juhu, Altmetallsammlung!“, freut sich Gustav. „Vielleicht finde ich etwas Brauchbares! Ein altes Schwert von einem Ritter, zum Beispiel! Oder ein Go-Kart, das nur ganz wenig kaputt ist und das der Papa wieder reparieren kann!“
Gustav passt gut auf, damit ihm keiner dieser Schätze entgeht.
Der rostige Raketenroboter vor der Villa des unheimlichen Professors sieht schon mal recht vielversprechend aus. Praktisch, dass die Fernsteuerung gleich daneben liegt! Gustav drückt ein paar Knöpfe, aber nichts regt sich. Schade, denkt er. Raketenroboter kann der Papa bestimmt nicht so gut reparieren, wie Go-Karts.
Etwas weiter stehen ein paar verschnörkelte Karaffen, die irgendwie orientalisch aussehen. Solche Behältnisse hat Gustav schon einmal in einem Buch mit Geschichten aus Tausend und einer Nacht gesehen.
„In alten Karaffen sind oft Flaschengeister drin“, weiß Gustav. In dem Buch hat er auch gelesen, wie man Flaschengeister aus ihrer Flasche holt: Man muss die Flasche gründlich mit dem Ärmel polieren! Und ein bisschen Schütteln schadet bestimmt auch nicht, denkt Gustav. Für den Fall, dass der Flaschengeist einen besonders tiefen Schlaf hat!
Aber als sich auch bei der fünften Karaffe trotz heftigen Rubbelns und Schüttelns kein Flaschengeist zeigt, verliert Gustav die Lust. So richtig an Geister glauben tut er ja sowieso nicht.
Gustav biegt in das Sträßchen ein, wo das windschiefe Haus mit dem verwildertem Garten liegt. Die Besitzerin, eine alte Dame, winkt Gustav manchmal vom Fenster aus zu. Vor dem rostigen Gartentörchen, das nur noch an einer Angel hängt, steht… Schon wieder eine Karaffe! Diese hier ist sogar vergoldet und glitzert verlockend in der Sonne. Als warte sie nur darauf, dass jemand an ihr reibt.
„Heute muss Karaffentag sein!“, denkt sich Gustav und muss grinsen. Dann entdeckt er das winzige Schild am Hals der Karaffe. In schnörkeliger Schrift steht da geschrieben: „DER DSCHINN IST DRIN“.
„Dschinn?“, überlegt Gustav und kratzt sich am Kopf. „Dschinn ist doch ein anderes Wort für Flaschengeist! Sollte in diesem Ding tatsächlich…?“
Na gut, einen Versuch noch! Gustav rubbelt und rüttelt die Karaffe. Und, ehe er sich versieht, macht es „Puff!“. Dichter Rauch quillt aus der Öffnung, Gustav muss husten. Als der Rauch sich verzieht, steht da ein kleines Männlein mit einem Turban auf dem Kopf und einer Zigarre im Mund. Gustav hustet noch einmal.
„Oh, tut mir leid, Meister!“, sagt das Männchen, wirft die Zigarre zu Boden und tritt sie mit seinem silbernen Pantoffel aus. „Du bist wohl Nichtraucher?“
Gustav steht einfach nur stumm da und staunt.
„Na los, fang schon an!“, sagt der Dschinn.
„Womit?“ fragt Gustav verwirrt.
„Na, mit dem Wünschen! Weiß doch jedes Kind, dass ein Flaschengeist, den man aus seiner Flasche holt, einem drei Wünsche gewährt!“
„Oh, ja, natürlich!“, stammelt Gustav.
„Dann leg endlich los!“, sagt der Dschinn und dreht ungeduldig Däumchen.
Gustav überlegt. Was soll er sich nur zuerst wünschen? Ah, ja! Genau!
„Einen Riesenhaufen Geld!“, ruft Gustav. Geld kann nie schaden! Auch wenn Mama und Papa behaupten, dass Geld allein nicht glücklich mache. Aber Glück kann er sich ja dann als nächstes wünschen, denkt Gustav.
„Einen Riesenhaufen Geld, so sei es!“, sagt der Dschin und schippst lässig mit dem Finger. Wieder macht es „Puff!“. Wieder raucht es. Gustav muss wieder husten, doch das stört ihn nicht. Schließlich ist er jetzt reich, oder?
Von wegen, Fehlanzeige! Kein Riesenhaufen Geld weit und breit! Dafür ist Gustav ein dicker Schnauzbart gewachsen, der ihn an der Nase kitzelt.
„Bist du bekloppt?“, schimpft Gustav. „Ich wollte einen Riesenhaufen Geld und keinen Schnauzbart!“
„Steht dir aber ausgezeichnet, Meister!“, sagt der Dschinn treuherzig.
„Ausgezeichnet?“, tobt Gustav. „Damit sehe ich bestimmt aus, wie der Papa von Attila aus meiner Klasse!“
„Bleib cool, Meister!“, sagt der Dschinn. „Wenn dir der Schnauzbart nicht gefällt, dann wünsch ihn dir einfach wieder weg! Du hast doch noch zwei Wünsche!“
Gustav kann es nicht fassen. „Aber“, stottert er, „wenn ich den zweiten Wunsch verbrauche, um den ersten Wunsch rückgängig zu machen, dann bleibt danach ja nur noch ein Wunsch übrig!“
„Ein Wunsch, ist doch super!“, sagt der Dschinn und zuckt die Achseln.
Gustav ärgert sich, kann aber nichts machen. „Also gut!“, grummelt er, „Ich wünsche mir, dass der blöde Schnauzbart wieder verschwindet!“
„Es sei!“, sagt der Dschinn und schnippst mit dem Finger.
Puff! Rauchwolke. Husten. Gustav fasst sich unter die Nase. Oh nein, der Bart ist noch dran! Dafür fühlt es sich jetzt weiter unten irgendwie komisch an. Als er an sich runter schaut, trifft ihn fast der Schlag: Dort, wo gerade eben noch zwei Beine waren, hat er nun sechs! Sechs Beine!
„Bist du bescheut, Dschinn?“, tobt Gustav. „Ich seh aus, wie… wie…“
„Wie der Papa von Attila?“, fragt der Dschinn interessiert.
„Nein! Ich seh aus, wie… wie… ich weiß auch nicht!“, jammert Gustav.
„Tut mir leid“, sagt der Dschin, kann sich aber ein Grinsen nicht verkneifen, weil Gustav wirklich sehr komisch aussieht. „Sowas passiert mir ständig. Ulkig, was?“
Gustav findet das überhaupt nicht witzig. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als seinen letzten Wunsch zu opfern, nur um wieder normal auszusehen. Das mit den drei Wünschen hatte er sich anders vorgestellt.
„Und mach diesmal ja alles richtig!“, droht er.
„Alle klar, Chef!“, sagt der Dschinn und schnippst erneut. Aber als sich der Rauch verzieht, sind der Schnauzbart und die sechs Beine immer noch dran. Dafür wachsen Gustav jetzt Blümchen aus den Ohren.
„Immerhin, es sind, äh, sehr hübsche Blümchen!“, bemerkt der Dschinn. „Übrigens war das dein dritter und letzter Wunsch, Meister! Schönen Tag noch, wünsch ich!“ Und mit einem „PUFF!“ verzieht sich der Dschinn in seine Karaffe.
„He, du kannst doch jetzt nicht einfach so abhauen!“, brüllt Gustav.
„Kann ich wohl!“, tönt es dumpf aus der Karaffe. „Drei Wünsche, mehr ist nicht drin!“
Wie die Geschichte weitergeht, erfahrt Ihr im dritten Gustavbuch „…nur dem Gustav haben sie Zuhause wieder kein Wort geglaubt“.